Sechs Jahre nichts geschrieben, obwohl sich auf dem Energiemarkt in der Zeit ganz viel getan hat: So enthält der deutsche Stromproduktionsmix nicht mehr 26% Erneuerbare sondern 45%, und der Preis für eine Tonne CO2 im EU Emissionshandel beträgt 80€ statt 7€. Höchste Zeit, mal wieder etwas zu rechnen!
Wie in vielen der alten Beiträge soll es auch heute darum gehen, auf welche Weise ich mit einem investierten Euro möglichst viel CO2-Emissionen einspare. Dazu möchte ich den „Erneuerbare KWh Return-on-Investment“ eines Balkonkraftwerks mit der Beteiligung an einer im Bereich der Erneuerbaren Energieerzeugung agierenden Aktiengesellschaft vergleichen:
- Ein Balkonkraftwerk bis zu 600 Watt Leistung kann ich nach Anmeldung bei meinem örtlichen Netzbetreiber (zB dem Stadtwerk) einfach in die Steckdose stecken. Der von der Solaranlage gelieferte Strom verdrängt bei enstprechendem Verbrauch Strom, den ich sonst vom Stromversorger bezogen hätte. 600 Watt bedeuten üblicherweise zwei je knapp 2qm große Module, die ich zB senkrecht am Balkongeländer anbringen kann.
- Die nach erneuerbar erzeugten Kilowattstunden größte deutsche Aktiengesellschaft ist die Encavis AG. Diese betreibt eigene Wind- und Solarparks in Deutschland und dem europäischen Ausland. Im Jahr 2021 wurden 2755 GWh Strom erzeugt, zwei Drittel davon mit Solar, ein Drittel mit Wind. Daneben gibt es Parks, die Encavis betreibt aber nicht besitzt. Diese rechne ich für meinen heutigen Vergleich nicht mit.
Legen wir los! Ein Balkonkraftwerk mit 600 Watt kann zum Beispiel bei priwatt für 1079€ erworben werden. Montiere ich je ein Modul senkrecht an die Sturzgitter meiner Schlafzimmerfenster mit Süd-West-Ausrichtung, kann ich laut Ertragsrechner mit 444 KWh Strom pro Jahr rechnen. priwatt gibt 25 Jahre Ertragsgarantie, also kann ich 11.100 KWh erwarten, oder 10,3 KWh pro heute investiertem Euro.
Für 1079€ könnte ich auch 55 Encavis Aktien kaufen, womit ich dann 0,0000342% der Gesellschaft besäße: Mein Anteil an den existierenden Wind- und Solarparks und – ganz wichtig – der Organisation, die den so produzierten Strom verkauft und mit einem Teil der Gewinne neue, zusätzliche Windräder und Solarparks kauft. Denn ich bin ja nicht an den bereits existierenden Parks interessiert (meinen Anteil daran kaufe ich ja nur jemand anderem ab, wenn ich eine Aktie kaufe), sondern an den von einer profitablen Firma zusätzlich an das Stromnetz angeschlossenen Erzeugungseinheiten. Nur diese zusätzlichen Einheiten verdrängen weitere Kohlekraftwerke und zahlen somit auf meine „Erneuerbare KWh Return-on-Investment“ ein.
Envacis hat über die letzten fünf Jahre pro Jahr im Durchschnitt 294 MW neue Anlagen in Betrieb genommen, wie zum Beispiel 2021 den 300 MW Solarpark Talayuela in Spanien. Dieses Erweiterungstempo nimmt sich die Firma auch für die nächsten Jahre vor. In den letzten Jahren hat Encavis aus einem MW Zubau im Jahr darauf durchschnittlich 1385 MWh Strom erzeugt, wir können also über 25 Jahre (wie beim Balkonkraftwerk) hier 25 * 25 / 2 * 0,294 * 1385 = 127.017 GWh durch Zubau erzeugte Energie erwarten. Davon gehören mir 0,0000342%, oder 40,29 KWh pro investiertem Euro. Wahrscheinlich über 25 Jahr sogar mehr, weil ich Dividenden in neue Anteile investieren könnte, und eine in Zukunft größere Firma auch mehr als 294 MW pro Jahr zubauen würde.
(Hinweis vom 1. Dezember 2022: Eine detailliertere Nachrechnung – siehe nächsten Artikel – ergibt bei einem Aktienkurs von 20€ knapp 30 KWh pro investiertem Euro)
Ergebnis: Der Erwerb von Anteilen an einer Firma, die so profitabel arbeitet, daß sie jedes Jahr neue Windräder und Solarparks kaufen und betreiben kann, bringt mindestens Faktor 3 so viele zusätzlich erneuerbar erzeugte Kilowattstunden als der Erwerb eines Balkonkraftwerks.