Oder doch Zertifikate vergraben?

Vor zwei Wochen habe ich ausgerechnet, daß ich mit einer Investition in ein Balkonkraftwerk pro investiertem Euro über 25 Jahre etwa 10 Kilowattstunden sauberen Strom erwarten kann. Und später dann diesen Wert mit einer Investition in Aktiengesellschaften verglichen. Wenn diese ihre Investitionen in neue Wind- und Solarkraftwerke die nächsten 25 Jahre im Durchschnitt des Tempos von 2016-2021 fortführen, stößt jeder Euro „Mitbesitz“ (=Erwerb von Aktien der Firma) zwischen 9 und 26 Kilowattstunden sauberen Strom an.

Inzwischen habe ich zehn Firmen analysiert (Encavis, Neoen, ENEL, EDP Renewables, Orsted, Atlantica, Clearway, Nextera Energy Partners, Greencoat, The Renewable Infrastructure Group). Verteile ich meinen Aktienkauf in gleichen Teilen über alle Firmen, kann ich als Mittelwert 24 Kilowattstunden sauberen Strom pro Euro erwarten.

So weit, so gut. Besser als das Balkonkraftwerk. Es gibt allerdings noch einen weiteren Weg, sauber erzeugten Strom „anzustoßen“ und CO2 Emission zu vermeiden. In der EU ist die stromerzeugende Industrie seit 2008 Teil des Europäischen Emissionshandels. Für eine Anzahl von Jahren werden eine begrenzte Anzahl an Emissionsrechten bereitgestellt. Ein Energieversorger muß für jede (zB durch Verbrennen von Kohle oder Gas) emittierte Tonne CO2 ein solches Emissionsrecht kaufen. Die Rechte werden an einer Börse gehandelt, derzeit (Dezember 2022) kostet eine Tonne zwischen 80 und 90 Euro.

Quelle: Umweltbundesamt / Deutsche Emissionshandelsstelle

Wenn ich also solch eine Emissionsberechtigung kaufe und einfach vergrabe anstatt genug Gas für eine Tonne CO2 zu verfeuern, können die Kraftwerksbetreiber in Europa diese Tonne nicht mehr emittieren. Wenn sie ihren Kunden trotzdem Strom liefern wollen, müssen sie diesen CO2-frei erzeugen. Das Ergebnis ist das gleiche wie indirekt an Investitionen in neue Solarkraftwerke beteiligt zu sein: Weniger CO2 pro Kilowattstunde Strom.

Plot Twist ist nur, daß ich als Privatperson an der Börse keine Emissionsberechtigungen kaufen darf! Also muß ich einen Dienstleister wie Compensators bemühen, der gegen einen gewissen Aufpreis die Emissionsberechtigung kauft und für mich stilllegt. Das Zertifikat kann man natürlich auch verschenken – eine Tonne CO2 entspricht (bei aktuellem Strommix in Deutschland) gut 2000 KWh Stromverbrauch. Das ist der Jahresverbrauch eines sparsamen Haushalts.

Aber wie stellt sich der Kauf einer Emissionsberechtigung aus Sicht der „Kilowattstunden pro investiertem Euro“-Metrik dar? Nun, Compensators will aktuell 92 Euro für eine Tonne CO2. Für die Erzeugung einer Kilowattstunde Strom haben wir (Strommix in Deutschland aus dem Jahr 2021) 428 Gramm CO2 emittiert, oder anders gesagt 2338 Kilowattstunden Strom mit einer Tonne CO2 bezahlt. Zahlen wir für die Tonne CO2 nun tatsächlich 92 Euro, kommen wir auf 25 Kilowattstunden pro Euro – ziemlich genau der Mittelwert einen Aktieninvestments in Firmen, die in neue Erneuerbare Energieerzeugungsanlagen investieren!

Ob ich mich an Produktionsmitteln für Erneuerbare Energie direkt beteilige (Aktienkauf), oder die Industrie durch Stilllegung von Emissionsberechtigungen zwinge weniger Nicht Erneuerbare Brennstoffe zu verfeuern, kommt im Ergebnis also auf das gleiche heraus. Ich persönlich würde dennoch eine Direktbeteiligung bevorzugen, denn ich habe die Hoffnung, daß ein Windparkunternehmen die nächsten 25 Jahre nicht konstant weiter investiert, sondern mit steigendem Erfolg jedes Jahr mehr neue Anlagen als im Vorjahr dazubaut, was den „KWh pro Euro“ Effekt verstärkt. Ein Stilllegungszertifikat verschenke ich lieber zu Weihnachten.

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